"Pflegeservice Smart": Erfolgreiche Abmahnung, Dienst eingestellt

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Nach einer Abmahnung wegen vieler Beschwerden über Telefonwerbung von "Pflegeservice Smart" der Firma "United Swiss Marketing" hat diese ihren Dienst offenbar eingestellt. Pflegebedürftigen Menschen wurde eine kostenpflichtige Beratung zu Pflegeleistungen in Höhe von mehr als 6000 Euro angeboten.
Ältere Frau telefoniert mit Smartphone

Das Wichtigste in Kürze:

  • Nach einer Abmahnung hat sich der Anbieter unter anderem dazu verpflichtet, Werbeanrufe ohne ausdrückliche Einwilligung zu unterlassen.
  • Das Unternehmen teilte per E-Mail mit, dass der Dienst eingestellt worden sei und keine weiteren Forderungen bestünden.
  • Die Firma "Pflegeservice Smart" meldete sich telefonisch bei älteren pflegebedürftigen Menschen und nannte die Angerufenen dabei oft beim richtigen Namen.
  • Das Telefonat wurde mitgeschnitten, sobald die Angerufenen aufgefordert wurden, sich mit der Übersendung einer "Pflegebox mit Informationen" zu einem Preis von 129 Euro oder 99 Euro einverstanden zu erklären.
  • Wir haben Betroffenen geraten, den telefonischen Vertrag unbedingt innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen – auch wenn sie glauben, keinen Vertrag abgeschlossen zu haben.
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Unterlassungserklärung abgegeben, Dienst offenbar eingestellt

Viele Verbraucher:innen haben sich bei den Verbraucherzentralen beraten und vertreten lassen. Dieses Beratungsaufkommen hatte die Verbraucherzentrale NRW dazu veranlasst, die Firma abzumahnen. Diese hat eine Unterlassungserklärung abgegeben und sich dazu verpflichtet, keine weiteren Werbeanrufe ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen durchzuführen. Außerdem verpflichtet sich die United Swiss Marketing AG, eine kostenpflichtige Beratung zu Pflegeleistungen nicht mehr als "finanziellen Vorteil von bis zu 6.180,10 Euro" zu bewerben.

Nach der Abmahnung hat der "Pflegeservice Smart" seine Arbeit offenbar eingestellt. Auf E-Mails, die unsere Rechtsfachleute im Namen von Betroffenen dorthin geschickt haben, erhalten sie automatische Antworten der United Swiss Marketing AG. In denen heißt es, der Service sei eingestellt worden, offene Forderungen seien storniert und man habe keine weiteren Forderungen. Für Verbraucher:innen, die diese E-Mail erhalten, heißt das also, dass sie das einst geforderte Geld nicht bezahlen müssen. Wer angerufen wurde und ungewollt einen Vertrag geschlossen hat, sollte ihn trotzdem auch jetzt noch widerrufen. Infos dazu und einen Link zum Erstellen eines Musterbriefs finden Sie weiter unten im Text.

Was passierte genau?

Gegen eine Servicegebühr von 129 Euro (bzw. 99 Euro als Angebot) bot "Pflegeservice Smart" Beratungen über Pflegeleistungen an. Die Betroffenen, vorwiegend ältere Menschen, erhielten meist einen Anruf. Die Firma aus der Schweiz erklärte dabei, dass die Angerufenen einen Anspruch gegen die Pflegekasse in Höhe von 6280 Euro hätten. Auf dieses Geld solle man auf keinen Fall verzichten. Die Firma warb damit, dass sie bei einer Durchsetzung dieses Anspruchs helfen könne.

Bei den Telefonaten zeigte sich, dass die Anrufer:innen oftmals Pflegegrad und Namen der Angerufenen kannten. Sie versuchten nach der Darstellung vieler Verbraucher:innen Druck auszuüben, das Angebot anzunehmen und sich Informationspakete zusenden zu lassen. Im Nachgang erhielten sie dann eine Auftragsbestätigung mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Aufklärung über den Widerruf und die Rechnung. Auch ein Auszug aus der Internetseite Zeit Online mit einer Studie des Sozialverbands VdK, nach der viele Pflegebedürftige ihre Ansprüche nicht geltend machen, lag dem Schreiben bei. Dies wurde mit der Aufforderung verbunden, auf keine Leistungen zu verzichten.

Verbraucher:innen, die den geforderten Betrag nicht zahlten, erhielten nach einer gewissen Zeit eine Zahlungserinnerung. Einige Betroffene berichteten davon, dass ein Inkassounternehmen eingeschaltet worden sei.

Zusammen mit diesem Schreiben erhielten die Verbraucher:innen ein Informationspaket, das etwa 12 Seiten umfasste. Hier wurden verschiedene Leistungen der Pflegekasse erläutert.

Was ist zu tun?

Sie hatten bereits Kontakt mit "Pflegeservice Smart" und sind noch nicht sicher, ob Sie die Forderung bezahlen müssen oder nicht? In diesem Fall hilft es, eine E-Mail an die Firma zu schreiben. Nach unserer Erfahrung erhalten Sie als Antwort die oben beschriebene automatische E-Mail. Darin erklärt die Firma "die Stornierung Ihres Vorgangs und dass die Forderung entfällt und wir keine weiteren Forderungen Ihnen gegenüber mehr haben". Danach müssen Sie also kein Geld an "Pflegeservice Smart" bezahlen.

Sollten Sie dennoch Anrufe vom "Pflegeservice Smart" erhalten, ist es immer am besten, Sie würden sofort auflegen. Sie haben dadurch keinerlei Nachteile! Denn eine kostenpflichtige Pflegeberatung benötigen Sie nicht. Pflegebedürftige erhalten bei offiziellen Stellen von Kommunen oder Pflegekassen eine kostenlose Beratung.

Sollten Sie das Telefonat geführt und am Telefon einen Vertrag geschlossen haben, zahlen Sie nicht sofort! Widerrufen Sie den Vertrag. Dies gilt auch, wenn Sie glauben, der Vertrag sei nicht zustande gekommen. Erhalten Sie also eine Auftragsbestätigung mit Widerrufsbelehrung und Rechnung, sollten Sie den Vertrag unbedingt widerrufen!

Andernfalls erhalten Sie nach den bisherigen Erfahrungen eine Mahnung. Die kommt zumeist mit den Unterlagen über die Pflegeleistungen. Hier hilft nur noch, dem Vertragsschluss zu widersprechen und ihn anzufechten. Wie das im Einzelnen geht, erklären wir hier:

Wie kann man solche Verträge widerrufen?

Grundsätzlich gilt: Werbeanrufe ohne Ihre ausdrückliche Einwilligung sind unzulässig. Trotzdem sind am Telefon abgeschlossene Verträge, bis auf wenige Ausnahmen, auch ohne nachträgliche Bestätigung gültig. Sie können telefonisch geschlossene Verträge jedoch in der Regel 14 Tage lang widerrufen. Anbieter sind verpflichtet, über das Widerrufsrechts zu informieren und eine Widerrufsbelehrung vorzulegen. Reicht der Anbieter die Belehrung nach, haben Sie ab dann 14 Tage Zeit für den Widerruf. Erfolgt keine Widerrufsbelehrung, verlängert sich das Widerrufsrecht und erlischt erst nach 12 Monaten und 14 Tagen. Das Unternehmen sendet bei der Auftragsbestätigung regulär eine Aufklärung über das Widerrufsrecht mit einer Musterformulierung. Sie können entweder die Formulierung in dem Schreiben des "Pflegeservice Smart" nutzen oder unseren kostenlosen Musterbrief.

Was ist zu tun, wenn die Widerrufsfrist abgelaufen ist?

Verbraucher:innen, die zunächst gar nicht auf das Schreiben und die Rechnung des "Pflegeservice Smart" reagiert haben, berichteten uns, dass sie eine Mahnung erhielten. Dann war die 14-tägige Widerrufsfrist in der Regel vorbei. Häufig schreiben die Verbraucher:innen dann, dass sie nicht bereit seien, den Preis zu zahlen. Sie erhielten in einem solchen Fall einen Telefonmitschnitt, der den Vertragsschluss beweisen sollte.

Dennoch besteht die Möglichkeit, sich gegen den Vertragsschluss zu wehren. Sie müssen dafür dem Vertragsschluss widersprechen. Sinnvoll ist es, wenn Sie gleichzeitig den Vertragsschluss anfechten. Auch dafür stellen wir einen kostenlosen Musterbrief zur Verfügung. In unseren Beratungsstellen unterstützen wir Sie auch gerne beim Widerspruch und helfen Ihnen bei weiteren Rechtsfragen.

Die offizielle Pflegeberatung gibt es kostenlos

Alle Menschen, die gesetzlich kranken- und pflegeversichert sind, haben einen Anspruch auf eine kostenfreie, neutrale und individuelle Pflegeberatung. Diese Beratung findet sogar persönlich statt und hilft Ihnen, alle Pflegeleistungen – auch bei komplizierten Fällen – geltend zu machen. Die Leistung des "Pflegeservice Smart" besteht hingegen aus der Übersendung mehrerer Informationsseiten, die Sie über Leistungen der Pflegekasse aufklären. Diese Informationen finden Sie auch kostenlos auf verschiedenen Seiten im Internet und auf Seiten der Pflegekassen.

Den Anspruch haben Sie übrigens nicht erst, wenn jemand schon in einen Pflegegrad eingestuft wurde, sondern sobald Pflegebedürftige die Pflegekasse kontaktieren, weil erkennbar ein Hilfe- und Beratungsbedarf besteht oder weil sie einen Pflegegrad beantragen möchten.

Haben Pflegebedürftige wirklich Anspruch auf bis zu 6280 Euro?

Das klingt zunächst viel. In Wirklichkeit kann dies aber noch mehr sein. So gibt es ab Pflegegrad 2 bei der Pflege zu Hause viele verschiedene Leistungen, die in Anspruch genommen werden können. Die Höhe hängt vor allem vom Pflegegrad ab.

In der höchsten Stufe, dem Pflegegrad 5, gibt es zum Beispiel 901 Euro Pflegegeld pro Monat, wenn Pflegepersonen die häusliche Pflege übernehmen. Wer zu Hause durch einen ambulanten Pflegedienst gepflegt wird, erhält in Pflegegrad 5 bis zu 2095 Euro. Zusätzlich besteht unabhängig vom Pflegegrad Anspruch auf monatlich 125 Euro als Entlastungsbetrag für Unterstützung im Alltag. Außerdem gibt es Geld für Hilfsmittel, Wohnraumpassung oder Verhinderungspflege.

Insgesamt kann also ein deutlich höherer finanzieller Anspruch bestehen als auf 6280 Euro pro Jahr. Außerdem ist nach Ansicht der Verbraucherzentrale das Versprechen des Anbieters nicht haltbar, dass die Pflegekasse "keine Bedarfsprüfung" vornimmt. Denn Pflegekassen sind verpflichtet, etwa den Bedarf für einen Umbau oder für einen Hausnotruf zu prüfen, was die Firma in ihren Geschäftsbedingungen auch erwähnt.