Ungenügende zivilrechtliche Regelungen in der ambulanten Pflege

Pressemitteilung vom
Verbraucherschützer bemängeln Unsicherheiten für Verbraucherinnen und Verbraucher
ältere Dame mit Gehhilfe
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Die Verbraucherzentralen Berlin, Brandenburg und des Saarlandes fordern, dass Pflegebedürftige bei Verträgen über Pflegedienstleistungen besser geschützt werden. Gerade im Bereich der ambulanten Pflege besteht Verbesserungsbedarf. Das zeigen die Ergebnisse der drei Verbraucherzentralen im Projekt „Marktprüfung ambulante Pflegeverträge“, das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert wurde.

„Pflegebedürftige Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen nicht nur eine bessere personelle Ausstattung in der Pflege. Sie müssen auch beim Abschluss von Verträgen über Pflegedienstleistungen als Vertragspartner besonders geschützt werden. Gerade im Bereich der ambulanten Pflege besteht hier noch Verbesserungsbedarf. Wir wollen deshalb die Verbraucherrechte bei ambulanten Pflegeverträgen stärken und für mehr Transparenz bei Leistungen und Kosten sorgen“, kündigt Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerin Katarina Barley an.

Für Verträge in der ambulanten Pflege fehlen bisher besondere gesetzliche Vorgaben. Daher gilt im Wesentlichen das allgemeine Dienstvertragsrecht.

„Das allgemeine Dienstvertragsrecht berücksichtigt die Abhängigkeit der Pflegebedürftigen von ihrem Pflegedienstleister nicht genügend. Es lässt den Vertragsparteien bei der Gestaltung ambulanter Pflegeverträge große Gestaltungsspielräume. Diese Möglichkeiten nutzen viele Pflegedienstleister zu Lasten pflegebedürftiger Verbraucher aus“, erklärte Dörte Elß, Vorstand der Verbraucherzentrale Berlin.

Verbraucher sind beispielsweise vor kurzfristigen Kündigungen ihres Pflegedienstes gesetzlich nicht hinreichend geschützt, was viele Pflegebedürftige und Beratungseinrichtungen beklagen. So drohen manche Pflegedienste ihren Kundinnen und Kunden mit kurzfristiger Kündigung, wenn diese Entgelterhöhungen hinterfragen oder deren Pflege sehr zeitaufwändig wird. Für Pflegebedürftige ist eine kurzfristige Kündigung aber eine existenziell bedrohliche Situation, da sie nicht immer sofort einen neuen Pflegedienst finden können.

Viele Verträge über ambulante Pflegeleistungen enthalten zudem Klauseln, die gegen bestehende Vorschriften verstoßen und Pflegebedürftige und ihre Angehörigen benachteiligen. Dies ergab die Auswertung von 63 ambulanten Pflegeverträgen, die den beteiligten Verbraucherzentralen im Rahmen des Projektes vorlagen. Dabei stellten sie erhebliche rechtliche Mängel fest.

„40 % der überprüften Verträge enthielten rechtswidrige Haftungsklauseln“, bemängelte Dörte Elß. Der häufigste Verstoß bestand in diesen Fällen darin, dass Anbieter ihre Haftung für Vermögens- und Sachschäden (wie z. B. Schlüsselverlust) generell auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzten. Die Verbraucherschützer beanstandeten außerdem, dass 38% der Verträge das gesetzliche sofortige Kündigungsrecht der Verbraucher rechtswidrig stark einschränken oder unzulässige Preiserhöhungsklauseln für Investitionskosten vorsehen. Besonders überraschend für die Verbraucherschützer: In fast allen untersuchten Verträgen (95 %) fehlten genaue Beschreibungen der vereinbarten Leistungen.

„Verbraucherzentralen müssen daher entsprechend ausgestattet werden, um Verträge zu überprüfen und mit Abmahnungen der Anbieter zur Marktbereinigung beizutragen,“ forderte Dörte Elß.

Das Projekt „Marktprüfung ambulante Pflegeverträge“

Die Untersuchung der ambulanten Pflegeverträge war Teil des Projekts „Marktprüfung ambulante Pflegeverträge“ der Verbraucherzentralen Berlin, Brandenburg und des Saarlandes. Wichtigstes Ziel des Projekts, das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert wurde, war es, Pflegebedürftige, Angehörige, Betreuer und interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher über ihre Rechte im Pflegemarkt zu informieren. Das Projekt lief vom 01.03.2016 bis zum 28.02.2018.

Neben der Verbraucheraufklärung waren die Marktbeobachtung und die Marktbereinigung weitere wichtige Ziele. Dazu wurden Marktchecks und Veranstaltungen durchgeführt, Verträge gesammelt, ausgewertet und Anbieter abgemahnt. Durch die intensive zweijährige Marktbeobachtung stellten die Verbraucherschützer erhebliche rechtliche Mängel in Pflegeverträgen fest und fordern Verbesserungen der gesetzlichen Regelungen für ambulante Pflegeverträge.

Das Positionspapier sowie die Ergebnisse der Marktchecks und der Vertragsunter-suchung finden Sie auf der Internetseite des Projekts www.pflegevertraege.de.

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.

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