Bambusbecher – schädliche Ökolüge to go?

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Der Trend zum Coffee to go nimmt immer mehr zu, und gleichzeitig wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher etwas für die Nachhaltigkeit tun. Geschirr aus Bambus klingt natürlich zunächst sehr nachhaltig. Doch ist es auch unbedenklich?
Bambusbecher
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Dr. Britta SchautzDie Werbung verpricht viel, aber ist Geschirr aus Bambus wirklich unbedenklich? Dr. Britta Schautz, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin, beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen zum Thema.

 


Welche Gefahren lauern in den Bambusprodukten?

Das Problem ist: Es steht Bambus drauf, aber die Becher wären gar nicht stabil, wenn sie nur aus Bambus bestehen würden. Das heißt, den Großteil des Bechers bilden Harze und Melamin. Und wenn ich diese Stoffe auf über 70 Grad erhitze, dann setzen sie krebserregende Stoffe frei, wie zum Beispiel Formaldehyd. Das kann krebserregend bei Menschen wirken. Melamin bildet zum Beispiel im Körper Komplexe, die zu Nierenschädigungen führen können.

Welche Stoffe sind das?

Formaldehydharze und Melamin sind Kunststoffe, die auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Diese geben dem Becher erst die Stabilität. Nur Bambus würde schnell durchweichen. Bis etwa 70 Grad Erhitzung sind diese Becher wahrscheinlich unbedenklich. Für ein Picknick mit kalten Getränken ist das gar kein Problem. Aber sobald ich heiße Getränke einfülle oder diese Produkte in die Mikrowelle stelle, können sich diese schädlichen Substanzen im Lebensmittel wiederfinden.

Gibt es Risikogruppen?

Diese Stoffe gelten generell als krebserregend beim Menschen. Das heißt jetzt nicht, dass regelmäßige Nutzer solcher Becher automatisch Krebs bekommen, aber es kann dazu beitragen. Gerade bei den Nierenschädigungen, die entstehen können, kann es sein, dass Menschen, die besonders klein sind, also Kinder, schneller einen Schaden davontragen können. Und gerade für Kinder gibt es sehr viel Melamin-Geschirr. Ältere Menschen sind zwar generell anfälliger für bestimmte Schadstoffe, aber in diesem Fall besteht kein wirklicher Unterschied zwischen ihnen und jüngeren, erwachsenen Menschen.

Es gibt viele Produkte aus Bambus, zum Beispiel Strohhalme, Zahnbürsten, Kochgeschirr, sogar Kochlöffel. Wie sieht es damit aus?

Eine Zahnbürste würde man natürlich nicht erhitzen, von daher ist hier keine Gefährdung zu erwarten. Aber wenn Kochlöffel heißer als 70° C werden, können sie natürlich auch diese Substanzen abgeben. Denn es steht zwar Bambus drauf, aber in der Regel ist nur ein ganz geringer Anteil Bambus enthalten. Gut wäre es, beim Hersteller nachzufragen, wie viel Bambus darin ist und welche anderen Füllstoffe, wie zum Beispiel Melamin oder Formaldehyd, enthalten sind. Dann kann ich entscheiden: Benutze ich das oder eben nicht.

Gibt es denn dafür Grenzwerte?

Natürlich gibt es Grenzwerte, ab wann so ein Becher nicht mehr verkehrsfähig wäre. Je nachdem, wie viel Melamin oder Formaldehyd er abgibt, wenn er erhitzt wird. Aber ich sehe dem Produkt nicht an, wie viel es jetzt in meinen heißen Kaffee abgibt. Ich kann also gar nicht einschätzen, ob es gesundheitsgefährdend ist oder nicht. Und: In den verschiedenen Tests, die in den Gesundheitsämtern durchgeführt wurden, haben fast alle Produkte Formaldehyd abgegeben und fast alle davon lagen über diesen Höchstmengen. Daher sollte man diese Utensilien für heiße Speisen und Getränke grundsätzlich nicht benutzen.

Diese Produkte gibt es ja schon eine ganze Weile auf dem Markt. Wie kann es sein, dass sie trotz dieser Gefahren verkauft werden dürfen?

Das Problem ist, dass diese Produkte nicht zugelassen werden müssen, wie etwa Arzneimittel. Dort müssen Nutzen und Nebenwirkungen in jedem Fall nachgewiesen werden. Bei Geschirr jedoch muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob dieser Becher verkehrsfähig ist oder nicht. Das macht die Lebensmittelüberwachung, die auch Bedarfsgegenstände wie diese Becher, kontrolliert. In Stuttgart zum Beispiel wurden 2017 alle untersuchten Becher als nicht verkehrsfähig eingestuft. Entweder weil sie diese Harze abgegeben haben oder weil sie falsch gekennzeichnet waren. Dann müssen diese Produkte vom Markt genommen werden, aber in der Zwischenzeit hat vielleicht ein anderer Anbieter auch so einen Becher produziert. Und dann geht dieses Spiel von vorne los.

Jetzt die Königsfrage: Was mache ich stattdessen?

Ich könnte mir überlegen, dass ich meinen Kaffee in Ruhe im Sitzen im Café trinke, dann brauche ich nämlich keinen To-go-Becher. Wenn ich dazu keine Zeit habe, kann ich mir einen guten Becher besorgen, zum Beispiel aus Edelstahl oder Keramik. Die gibt es auch in doppelwandig, sie halten das Getränk im Gegensatz zu den Bambusbechern schön warm. Es ist aber nicht jeder Kunststoff automatisch schädlich für die Umwelt.  Polypropylen etwa eignet sich sehr gut für Mehrwegbecher. Und wenn ich diesen häufig benutze, ist er immer noch besser als Wegwerfbecher. Bei Rührschüsseln zum Beispiel ist es wichtig, dass sie nicht kaputt gehen, wenn sie runterfallen. Hier würde sich auch Polyethylen eignen. Diese Abkürzungen, PP oder PE, findet jeder auf den Produkten. Bei einem guten Hersteller gibt es immer einen Hinweis dazu, ob Sie das Produkt erhitzen dürfen, ob es in die Mikrowelle darf oder nicht. Wenn diese Hinweise nicht enthalten sind, sollte ich das Produkt lieber stehen lassen.

Wie kann ich gute Hersteller erkennen?

In der Regel sind bei diesen Produkten Symbole gut erkennbar aufgedruckt oder eingeprägt, so dass sie in der Geschirrspülmaschine nicht abgelöst werden können.

 

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