Das Wichtigste in Kürze:
- 583 Verbraucher:innen meldeten im Rahmen des Verbraucheraufrufs „Beim Arztbesuch unnötig zur Kasse gebeten“ ungerechtfertigte Selbstzahlerforderungen bei Arztbesuchen.
- Verbraucher:innen schildern Ihre Erfahrungen zu unterschiedlichen Leistungen: Hautkrebsscreening, Ultraschalluntersuchungen, Knochendichtemessungen und Zahnschienen.
- Teilweise fehlten den Ärzt:innen die nötigen Genehmigungen zur Abrechnung über die Krankenkasse. Die Folge: Patient:innen sind gezwungen, die Kosten privat zu tragen, auf die Leistung zu verzichten oder sich eine andere Praxis zu suchen.
- Lange Wartezeiten auf einen Termin und Fachärztemangel können dazu führen, dass Patient:innen keine Wahl haben und sich genötigt sehen könnten, für Kassenleistungen privat zu zahlen.
- Beschwerdewege sind kompliziert und können viele Betroffene abschrecken.
Wenn Kassenleistungen zur Privatleistung werden
Gesetzlich Versicherte haben Anspruch auf eine medizinisch notwendige Versorgung. Trotzdem berichten Patient:innen immer wieder, dass sie für eigentlich von der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) gedeckte Leistungen zahlen sollen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat von Februar 2024 bis Juni 2025 über 580 Meldungen von Verbraucher:innen über den Verbraucheraufruf „Beim Arztbesuch unnötig zur Kasse gebeten“ gesammelt. Betroffen sind verschiedene Fachbereiche – am häufigsten darunter sind Rückmeldungen zu den Fachbereichen Dermatologie, Augenheilkunde sowie Gynäkologie.
Manche Ärzt:innen verfügten nicht über nötige Fortbildungen und damit nicht über die Genehmigungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur Abrechnung über die Krankenkasse. Sie dürfen die Behandlungen oder Diagnoseverfahren jedoch als Selbstzahlerleistung anbieten.
Verbraucher:innen berichteten auch darüber, dass manche Praxen die zuvor festgestellte medizinische Notwendigkeit einer Leistung nicht anerkannten. Das hatte zur Folge, dass die Kosten privat getragen werden mussten, obwohl aus Sicht der Verbraucher:innen ein Anspruch gegenüber der GKV bestand.
Problemfälle aus den Meldungen
Die folgenden Behandlungen und Diagnoseverfahren wurden unter anderem von den Teilnehmenden des Verbraucheraufrufs genannt:
- Hautkrebs-Screening: Ab 35 Jahren übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung alle zwei Jahre die Vorsorge. Einige Kassen bieten die Leistung auch schon früher an. Trotzdem mussten Patient:innen teils selbst zahlen – etwa für das Auflichtmikroskop, obwohl dessen Nutzung in der Kassenleistung enthalten ist.
- Ultraschall und Diagnostik: Mammasonografie, Vaginal- oder Brustultraschall wurden selbst bei Beschwerden oder Vorbefunden oft nur gegen Zuzahlung angeboten.
- Knochendichtemessung: Auch bei diagnostizierter Osteoporose mussten Verbraucher:innen die Untersuchung privat zahlen. Diese Berichte decken sich mit Erkenntnissen eines Marktchecks der Verbraucherzentrale NRW.
- Zahnmedizin: Knirscherschienen, eigentlich GKV-Leistung, wurden in Einzelfällen nur gegen Zuzahlung abgegeben. Teilweise fürchteten die Praxen angebliche Rückforderungen durch Krankenkassen.
Zahlen oder warten – Termine gegen Geld
Ein weiteres Problem: Termine wurden teils nur gegen Zahlung angeboten. Dies stellte der vzbv auch in einer Umfrage 2024 fest: 7 Prozent der Befragten gaben damals an, schon einmal ein Angebot für schnellere Termine gegen Gebühr erhalten zu haben. Wer nicht zahlt, kann Monate auf einen Facharzttermin warten – und das bei mitunter drängenden medizinischen Problemen. Wenn ein medizinisches Problem dringend ist, sollte die überweisende Praxis dies unbedingt mit einem Dringlichkeitsvermerk auf der Überweisung kennzeichnen.
Der Fachärztemangel verschärft das Problem zusätzlich. Das führt dazu, dass viele Patient:innen sich gezwungen sehen könnten, für einen Termin – und eine Leistung – privat zu bezahlen.
Hürden bei Beschwerden
Patient:innen können sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung ihres Bundeslandes beschweren. Doch die Verfahren sind oft kompliziert und unterschiedlich geregelt: Bei manchen Vereinigungen ist eine Beschwerde nur postalisch möglich, bei anderen auch online. Teilweise können Beschwerden nicht anonym eingereicht werden, sodass viele Betroffene ein belastetes Verhältnis zu ihren Ärzt:innen befürchten.
Der vzbv fordert unter anderem, dass Patient:innen nicht dazu gedrängt werden dürfen, eine Behandlung privat zu zahlen, wenn sie eigentlich durch die GKV abgedeckt ist. Dafür müsse der Gesetzgeber Ärzt:innen verpflichten, diese Leistungen als Kassenleistung anzubieten, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen. Ärzt:innen sollen außerdem ihre Patient:innen wahrheitsgemäß darüber aufklären müssen, welche Leistungen unter welchen Bedingungen von der GKV übernommen werden.
Tipps: So vermeiden Sie ungerechtfertigte Privatzahlungen in der Arztpraxis
- Wenn Sie sich unsicher sind, ob eine medizinische Leistung übernommen wird, fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach – auch nach den konkreten Bedingungen für die Kostenübernahme.
- Stimmen Sie nicht sofort einer Selbstzahlerleistung zu – wenn möglich. Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, ob die angebotene Leistung in Ihrem Fall nicht grundsätzlich eine Kassenleistung darstellt und warum Sie dafür zahlen müssen. Ärzt:innen sind verpflichtet, Sie vor einer Selbstzahlerleistung schriftlich zu informieren. Lassen Sie sich Zeit und unterschreiben Sie nichts unter Druck.
- Bei der Suche nach Fachärzt:innen, die eine gewünschte Leistung über die gesetzliche Krankenkasse abrechnen, hilft die Website des Patientenservice der 116117.
- Beschweren Sie sich bei der Verbraucherzentrale über eine Selbstzahlerleistung und lassen Sie sich zur Ihren Möglichkeiten beraten. Nutzen Sie dafür das Formular auf dieser Seite: Beschwerde über Selbstzahlerleistungen. Auf der Seite werden auch die häufigsten Problemfälle vorgestellt und Handlungsoptionen aufgezeigt. Bitte beachten Sie, dass die Verbraucherzentralen keine individuelle Rechtsberatung leisten dürfen.