Vitamin B1 (Thiamin) für Herz und Nerven?

Stand:
Vitamin B1 muss regelmäßig mit der Nahrung zugeführt werden, der Körper kann keine großen Mengen speichern.
Vitamin-Kapseln auf dem Teller

Das Wichtigste in Kürze:
Wirkung nicht bewiesen

  • Die Vitamin-B1-Versorgung in Deutschland ist ausreichend – eine Nahrungsergänzung in der Regel nicht notwendig.
  • Vitamin B1 hilft nicht gegen neuropathische Schmerzen.
  • Eine Unterversorgung tritt vor allem bei Alkoholmissbrauch oder bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes auf.
  • Vitamin B1 ist in allen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln enthalten.
  • Besonders Vitamin-B1-reich sind Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Schweinefleisch.
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Was steckt hinter der Werbung zu Thiamin (Vitamin B1) - Produkten?

Vitamin B1 wird häufig als das Stimmungs-, Nerven- oder auch als das „gute Laune“- Vitamin beworben. In der Tat ist Thiamin ein lebenswichtiges Vitamin, auf das der Körper angewiesen ist. Denn: Thiamin spielt nicht nur im Nervensystem eine wichtige Rolle, sondern ist des Weiteren am Energiestoffwechsel und der Herzgesundheit beteiligt.

Laut der Verordnung für gesundheitsbezogene Angaben (HCVO) sind folgende Aussagen für Thiamin (Vitamin B1) zugelassen:

  • Thiamin trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei
  • Thiamin trägt zur einer normalen psychischen Funktion bei
  • Thiamin trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei
  • Thiamin trägt zu einer normalen Herzfunktion bei

Mit diesen wissenschaftlich bewiesenen Aussagen dürfen Nahrungsergänzungsmittel beworben werden, die mindestens 0,17 mg Thiamin pro Tagesdosis (15 % des Referenzwertes) enthalten. Wichtig ist aber, auf den genauen Wortlaut zu achten: Es geht nur um die Aufrechterhaltung normaler Körperfunktionen und nicht um eine zusätzliche Leistungssteigerung.

Immer wieder findet man im Internet auch Hinweise, dass Thiamin oder das verwandte Benfotiamin Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) lindern sollen. Tatsächlich hilft Vitamin B1  nach Angaben der Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) ebenso wenig wie Vitamin E.

Worauf sollte ich bei der Verwendung von Thiamin (Vitamin B1) achten?

Unerwünschte gesundheitliche Wirkungen bei einer hohen Zufuhr von Vitamin B1 aus Nahrungsergänzungsmittel sind nicht bekannt. Überflüssiges Thiamin wird über den Urin ausgeschieden. Daher hat das Bundesinstitut für Risikobewertung auf die Festlegung einer Höchstmenge für Thiamin in Nahrungsergänzungsmitteln und auch in angereicherten Lebensmitteln verzichtet.

Diese Vitamin-Verbindungen sind gemäß EU-Richtlinie 2002/46/EG, Anhang II (Fassung vom 20.03.2021) für Thiamin in Deutschland und anderen EU-Ländern in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen:

  • Thiaminhydrochlorid
  • Thiaminmononitrat
  • Thiaminmonophosphatchlorid
  • Thiaminpyrophosphatchlorid

Im Internet findet man auch Produkte mit Benfotiamin. Benfotiamin ist jedoch eine Vitamin-B1-Verbindung, die nur in Arzneimitteln zugelassen ist.

Wofür braucht der Körper Thiamin (Vitamin B1)?

Thiamin hat viele Funktionen im Körper. Entscheidende Bedeutung hat es bei der Energiegewinnung aus Kohlenhydraten und Eiweißen. Außerdem ist es als Phosphatspender an der Reizweiterleitung beteiligt und spielt somit eine wichtige Rolle im Nervensystem.

Ein dauerhafter Thiamin-Mangel führt zur bekannten Beri-Beri Erkrankung. Diese kommt heute noch in Ländern vor, in denen einseitig gegessen wird und weißer Reis das Grundnahrungsmittel ist. Denn das Vitamin befindet sich in der äußeren Schicht von Getreide- und Reiskörnern und geht somit beim Schälen des Reises verloren. Die Mangelsymptome lassen sich hauptsächlich in die Kategorien „Schädigungen des Herz-Kreislauf-Systems“ und „Störungen des Nervensystems“ einsortieren. Sie äußern sich z. B. in Muskelschwäche, Empfindungslosigkeit in Armen und Beinen, Herzschwäche bis zum Herzversagen.

In Europa spielt Beri-Beri jedoch keine Rolle. Allerdings gibt es in Deutschland Risikogruppen. Dazu gehören: chronische Alkoholiker:innen, Menschen mit bestimmten Magen-Darm- oder Leberkrankheiten und Frauen mit extremer Schwangerschaftsübelkeit. Weiterhin sind gestillte Kinder, deren Mütter (durch z.B. Erbrechen in der Schwangerschaft) unter einem Thiaminmangel leiden, gefährdet. Hier ist eine Supplementation nach ärztlicher Rücksprache angeraten.

Kann ich meinen Tagesbedarf über die Nahrung decken?

Im Durchschnitt liegen Männer und Frauen über der täglichen Zufuhrempfehlung für Vitamin B1. Zwar erreicht ein Drittel der weiblichen Bevölkerung diese nicht, das heißt aber nicht, dass ein Mangel vorliegt. In den täglichen Zufuhrempfehlungen sind die unterschiedlichen Stoffwechselgegebenheiten der Menschen und die unterschiedlichen Verzehrsgewohnheiten z.B. sehr kohlenhydratreich (benötigt mehr Vitamin B1) mit einem Sicherheitszuschlag von 20 % berücksichtigt. Erst durch aussagekräftige Diagnoseverfahren (Biomarker) wie z.B. der Thiamindiphoshat-Konzentration in den roten Blutkörperchen oder der Thiamin-Ausscheidung im Urin konnte die Aussage getroffen werden, dass die deutsche Bevölkerung im Allgemeinen ausreichend mit Vitamin B1 versorgt ist.

Die Höhe der täglichen Zufuhrempfehlung bei Thiamin richtet sich nach dem täglichen Energie-(Kalorien)-Verbrauch. Da Männer in der Regel größer sind und mehr Muskeln haben, ist die Vitamin B1-Empfehlung mit 1,2 mg Thiamin/ Tag höher, als bei Frauen mit 1,0 mg Thiamin/ Tag. Ältere Menschen (ab 65 Jahren) haben einen etwas niedrigeren Bedarf (Mann 1,1 mg, Frau 1,0 mg), jüngere (15-19 Jahre) benötigen durch ihre aktive Alltagsgestaltung und ihre hohe Stoffwechselleistung im Wachstum mehr (Junge 1,4 mg/ Mädchen 1,1 mg).

Die Speicherfähigkeit im menschlichen Körper, vor allem im Blut, Leber, Niere, Gehirn und in den Muskeln, ist für Thiamin mit 25-30 mg als niedrig anzusehen. Auch die biologischer Halbwertzeit ist mit 9 bis 18 Tagen sehr kurz. Daher ist eine regelmäßige Zufuhr notwendig.

Thiamin kommt in allen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vor. Eine abwechslungsreiche Ernährung stellt eine angemessene Thiamin-Versorgung sicher. Besonders thiaminreich ist mageres Fleisch (vor allem Schweinefleisch). Da im Vollkorngetreide (besonders Haferflocken) und Naturreis wesentlich mehr Nährstoffe - so auch Vitamin B1 - als in helleren Mehlsorten/ Reis stecken, sind diese zu bevorzugen. Thiaminreich sind auch Hülsenfrüchte (Erbsen), Sonnenblumenkerne, Erdnüsse, Thunfisch, Scholle, Kartoffeln und vieles mehr.

Vitamin B1 reagiert empfindlich auf Hitze, UV-Strahlen und Sauerstoff. Da es außerdem zu den wasserlöslichen Substanzen gehört, treten beim Kochen von Lebensmitteln ca. 30 % Thiamin-Verluste auf. Der Gehalt in Lebensmitteln kann also durch Lagerung und Zubereitung beeinflusst werden.

Unser Tipp:
Eine ausgewogene Ernährung versorgt uns normalerweise mit ausreichend Thiamin (Vitamin B1).

Da Vitamine und Mineralstoffe in den Randschichten des Getreidekorns stecken, achten Sie beim Einkauf von Getreide und Getreideprodukten auf den Begriff „Vollkorn“. Lassen Sie sich dabei von Begriffen wie „Schwarzbrot“ oder „Körnerbrot“ nicht täuschen.

Vollkornreis erkennt man am Begriff „Naturreis“. Eine gute Alternative zu Naturreis ist auch der sogenannte „Parboiled-Reis“. Dieser wurde vor dem Schälen dampfbehandelt, wobei ein Teil der Vitamine und Mineralstoffe in das Innere des Reiskorns gepresst werden und somit auch nach dem Schälen noch im Reiskorn enthalten sind.

Downloads:

 

Quellen:


BfR (2021): Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln. Stellungnahme Nr. 009/2021 vom 15.03.2021

BfR (2021): Höchstmengenvorschläge für Vitamin B1, Vitamin B2 und Pantothensäure in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln

Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (2020), Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2. Auflage, 7. Ausgabe 2021, Köllen Druck + Verlag GmbH: Bonn

Max-Rubner-Institut (2008): Nationale Verzehrsstudie II. Ergebnisbericht, Teil 2, abgerufen am: 24.10.2022

Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Vitaminpräparate bei Neuropathien ohne Nutzen. Pressemeldung vom 23.05.2018, abgerufen am: 24.10.2022

Richtlinie 2002/46/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel, Fassung vom 20.03.2021

 

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