Ungefragt erhöht

Pressemitteilung vom
Gerichte erklären das einseitige Inrechnungstellen erhöhter Entgelte durch Pflegeheime für unzulässig
Nahaufnahme eines Richterhammers

Das Wichtigste in Kürze:

  • Gerichtsentscheidungen stärken Verbraucherrechte für Heimbewohner*innen
  • Jede Entgelterhöhung sorgfältig prüfen
  • Im Zweifel rechtlichen Rat einholen
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Jede Erhöhung der Pflegeheimentgelte ist eine Vertragsänderung und bedarf der Zustimmung der Bewohner*innen. Dennoch halten sich viele Pflegeheimbetreiber nicht daran und senden den Bewohner*innen Rechnungen mit erhöhten Entgelten, obwohl diese der Erhöhung nicht zugestimmt haben. Das ist nicht zulässig, wie das Landgericht Berlin und das Kammergericht nun entschieden haben (LG Berlin, Urteil vom 17.01.2025, Az.: 15 O 414/23 und KG, Urteil vom 17.02.2025, Az.: 23 UKl 8/24).

Die Verbraucherzentrale hatte gegen zwei Unternehmen aus dem Pflegebereich geklagt. Dabei handelte es sich um die CASA Reha Seniorenpflegeheim GmbH, die Teil der Korian Gruppe ist und bundesweit circa 230 Heime betreibt, sowie den Berliner Heimbetreiber FSE Förderung sozialer Einrichtungen gGmbH. Beide Gesellschaften wurden nun durch das Landgericht Berlin und das Kammergericht verpflichtet, es zukünftig zu unterlassen, Verbraucher*innen, die einem Entgelterhöhungsverlangen nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) nicht zugestimmt haben, das erhöhte Entgelt in Rechnung zu stellen oder einzufordern. „Die Gerichte haben ganz klar im Sinne der Verbraucher*innen entschieden und schützen sie damit davor, von Heimbetreibern übervorteilt zu werden“, sagt Pascal Bading, Jurist der Verbraucherzentrale Berlin. Mit der Inrechnungstellung des erhöhten Entgelts wurde bei den Verbraucher*innen der irrtümliche Eindruck erweckt, als bestünde gegen sie ein fälliger Zahlungsanspruch auf das erhöhte Entgelt, was aber nicht der Fall war.

Zustimmung zur Entgelterhöhung zwingend erforderlich

Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2016 entschieden, dass eine Entgelterhöhung im Pflegeheim einer Zustimmung der Bewohner*innen zur Vertragsänderung bedarf und der Heimbetreiber die Entgeltanpassung nicht durch einseitige Erklärung herbeiführen kann. 

In den jetzt gewonnenen Fällen hatten die betroffenen Verbraucher*innen den Entgelterhöhungen sogar explizit widersprochen, da sie die formellen Voraussetzungen für eine Erhöhung nach dem WBVG für nicht erfüllt hielten. Dennoch erhielten sie mehrfach erhöhte Rechnungen. Die beiden Unternehmen weigerten sich im Rahmen eines außergerichtlichen Abmahnverfahrens, dieses rechtswidrige Verhalten zu unterlassen. Die Gerichte betonten in ihren rechtskräftigen Entscheidungen nun jedoch, dass die Zustimmung der Verbraucher*innen zur Entgelterhöhung zwingend erforderlich war und die Rechnungslegung vor Erhalt der Zustimmung eine Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen darstellte.

Entgelterhöhungen sorgfältig prüfen

„Die Entgelte und damit auch die Eigenanteile können sich selbst bei laufenden Heimverträgen regelmäßig erhöhen. Dies liegt an gestiegenen Kosten, aber auch daran, dass die Pflegekassen in den Pflegesatzverhandlungen kaum Anreize haben, Kostensteigerungen für die Bewohner*innen gering zu halten“, so Bading. Die Vereinbarung höherer Pflegesätze reicht für die Wirksamkeit einer Entgelterhöhung gegenüber dem Bewohner oder der Bewohnerin selbst aber nicht aus. „Die zusätzlich zu erfüllenden gesetzlichen Anforderungen gegenüber den Heimbewohner*innen sind hoch. Aufgrund formeller Fehler sind die Erhöhungsschreiben häufig unwirksam. Es empfiehlt sich daher, jede Entgelterhöhung sorgfältig zu prüfen und nicht voreilig die Zustimmung zu erklären“, so der Jurist.

Weitere Informationen

Fragen zur Rechtmäßigkeit von Entgelterhöhungen beantworten die Mitarbeiter*innen der Pflegerechtsberatung kostenfrei – persönlich, telefonisch (030 214 85-260) oder per E-Mail unter pflegerecht@vz-bln.de.

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