Jod, Vitamine, Omega-3-Fettsäuren - Nahrungsergänzung in der Stillzeit?

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In Supermarkt, Drogerie, Apotheke und im Internet werden zahlreiche Spezial-Produkte für stillende Frauen angeboten. Welche sind sinnvoll – welche überflüssig?
Stillende Frau Mutter

Das Wichtigste in Kürze:

  • Stillende Frauen haben einen erhöhten Bedarf an Energie (Kalorien) sowie an einigen Mineralstoffen und Vitaminen.
  • Durch abwechslungsreiches und regelmäßiges Essen kann dieser zusätzliche Bedarf in der Regel über die Nahrung gedeckt werden - bei gezielter Lebensmittelauswahl auch mit einer vegetarischen Ernährungsweise, die Milch/-produkte und Eier enthält.
  • Bei einigen Nährstoffen (z.B. Jod, Omega-3-Fettsäuren) wirkt sich die Ernährungsweise der Stillenden auf den Nährstoffgehalt der Muttermilch aus.
  • Zur sicheren Deckung des gesteigerten Jodbedarfs wird Stillenden empfohlen, täglich 100 bis 150 µg Jod in Form eines Nahrungsergänzungsmittels einzunehmen. Das machen bisher zu wenige.
  • Die generelle Einnahme von anderen Nahrungsergänzungen wird nicht empfohlen.
  • Die meisten im Handel erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel oder Spezial-Lebensmittel für Stillende enthalten über Jod hinaus noch weitere, teils unnötige oder deutlich zu hoch dosierte Nährstoffe.
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Wie verändert sich der Nährstoffbedarf in der Stillzeit?

In der Stillzeit steigt durch die Milchbildung der Energiebedarf um schätzungsweise 500 kcal/Tag; das ist mehr als in der Schwangerschaft. Werden die zusätzlichen Lebensmittel abwechslungsreich ausgesucht (z.B. ein Mehr an Fisch, Gemüse, Obst, hochwertigen Pflanzenölen und Vollkornprodukten), lässt sich damit auch zugleich der gestiegene Bedarf an Mineralstoffen (z.B. Zink und Magnesium) und Vitaminen (z.B. B6, Vitamin E) decken.

Auch eine sogenannte ovo-lakto-vegetarische Ernährungsweise, also eine pflanzliche Ernährung plus Milch/-produkten und Eiern, ist bei sorgfältiger Auswahl geeignet, den erhöhten Nährstoff- und Energiebedarf in der Stillzeit zu decken. Eine ausschließlich vegane Ernährung in der Stillzeit wird nicht empfohlen. Möchten Sie sich trotzdem vegan ernähren, sollten Sie sich ärztlich beraten lassen. Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (u.a. Jod, Vitamin B12) ist dann unbedingt notwendig.

Welche Produkte empfiehlt die Werbung, was ist sinnvoll?

Mit Werbesprüchen wie "speziell auf Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit abgestimmte Nährstoffe" und "liefert von Anfang an wichtige Nährstoffe für die Entwicklung des Kindes - unterstützt das Wohlbefinden der Mutter" werden Produkte beworben, die für Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit gleichermaßen passen sollen. Dabei unterscheiden sich die Nährstoffbedürfnisse des Körpers in diesen Phasen sehr. Die meisten Präparate enthalten einen "Rundumschlag" an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, obwohl stillenden Frauen lediglich empfohlen wird, 100 µg Jod/Tag zusätzlich einzunehmen.

Alle anderen Nährstoffe können auch in der Stillzeit über eine ausgewogene Ernährung aufgenommen werden. Besonders bedenklich: Spurenelemente wie Selen und Zink sind in den Präparaten zum Teil in Dosierungen enthalten, die um ein Vielfaches über den Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung liegen. Viele Produkte enthalten auch Eisen, das jedoch nur bei Vorliegen eines diagnostizierten Eisenmangels ergänzt werden sollte.

Darüber hinaus fallen die Angebote der Hersteller auch noch durch sehr hohe Preise auf: Häufig fallen Kosten von bis zu 1 Euro pro Tag für größtenteils überflüssige Produkte an.

Achtung: Seien Sie vorsichtig mit Nahrungsergänzungsmitteln während des Stillens. Das gilt besonders für Pflanzenstoffe und Koffein. Manche Substanzen hemmen die Milchbildung (z.B. Salbei, Pfefferminz, Hibiskus), andere gehen in die Muttermilch über (z.B. Johanniskraut, bestimmte Bitterstoffe wie Artischockenextrakt) und machen Ihr Baby schläfrig oder können zu Unwohlsein, Bauchschmerzen oder gar Krämpfen führen. Koffein ist häufig in "energiesteigernden" Produkten enthalten, z.B. mit Mate oder Guarana. Aber auch Nahrungsergänzungsmittel mit Grüntee oder Matcha enthalten Koffein. Achten Sie auf Hinweise der Hersteller zum Stillen auf der Verpackung oder auch auf dessen Internetseite. Im Zweifel fragen Sie lieber einmal mehr in Ihrer Kinder- und/oder Frauenarztpraxis nach.

Aussagen wie "Entgiften Sie die Muttermilch" für Mikroalgen wie Chlorella oder Spirulina sowie für andere Detox-Substanzen sind nicht nur falsch, sondern auch verboten. Wenn überhaupt, können potentielle schädliche Stoffe (und gleichzeitig auch die guten) nur im Darm "abgefangen" werden. Was schon im Körper bzw. Fettgewebe eingelagert ist, wird nicht entfernt.

 

Wie kann ich den erhöhten Jodbedarf decken?

Der Jodgehalt der Muttermilch ist abhängig von der Jod-Versorgung der Mutter über die Nahrung. Wichtige Quellen für die Jodversorgung sind Meeresfische, jodiertes Speisesalz sowie damit hergestellte Lebensmittel (wie z.B. Brot) und Milch- und Milchprodukte. Aktuelle Daten zeigen, dass die Jodversorgung der Bevölkerung immer noch nicht optimal ist bzw. momentan sogar eine rückläufige Tendenz aufweist.  Daher wird stillenden Frauen empfohlen, zusätzlich zur jodreichen Ernährung 100 - 150 Mikrogramm pro Tag in Form eines Nahrungsergänzungsmittels einzunehmen.

Stillenden Frauen wird empfohlen, zusätzlich zur jodreichen Ernährung 100 Mikrogramm Jod pro Tag in Form eines Nahrungsergänzungsmittels einzunehmen. Nach den Daten der SuSe-Studie nehmen bisher nur ein Drittel der Frauen sowohl in der Schwangerschaft als auch während des Stillens ein Jod-haltiges Nahrungsergänzungsmittel.

Besteht eine Schilddrüsenerkrankung, sollten Sie vor jeder Form der Jod-Supplementierung mit frei verkäuflichen Arzneimitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt sprechen.

Besteht eine Schilddrüsenerkrankung, sollten Sie vor jeder Form der Jod-Supplementierung mit frei verkäuflichen Arzneimitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt sprechen.

Getrocknete Algen- und Tangpräparate, die ebenfalls Jod enthalten, sind aufgrund von schwankenden und teilweise sehr hohen Jodmengen nicht empfehlenswert.

Wie kann ich den erhöhten Bedarf an Omega-3-Fettsäuren (DHA) decken?

Die mehrfach ungesättigten sogenannten Omega-3-Fettsäuren müssen mit der Nahrung aufgenommen und über die Muttermilch an den Säugling weitergegeben werden.

Gute Quellen für die pflanzliche Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure sind beispielsweise Raps,- Walnuss- und Sojaöl. Doch zusätzlich benötigt der Organismus auch Omega-3-Fettsäuren aus tierischen Lebensmitteln (oder bestimmten Algen) wie z.B. die Docosahexaensäure (DHA). Sie ist Bestandteil des Nervengewebes und der Netzhaut des Auges und daher im Säuglingsalter wichtig für die normale Entwicklung der Sehkraft und der Denkfähigkeit. Mit zwei Seefischmahlzeiten pro Woche – darunter auch mindestens einmal fetten Fisch wie Hering, Makrele oder Lachs – kann in der Stillzeit der Bedarf an DHA gedeckt werden. Große Raubfische (z.B. Thunfisch, Haifisch, Schwertfisch, Heilbutt oder Aal, frisch und aus der Konserve) sollten nur selten gegessen werden, denn sie können durch die Anreicherung in der Nahrungskette hohe Schadstoffgehalte (z.B. Quecksilber) aufweisen. Fisch sollte auch in der Stillzeit wegen möglicher Lebensmittelinfektionen grundsätzlich nur gut durcherhitzt und sofort verzehrt werden (kein Sushi). Eine Ausnahme sind Fischvollkonserven, die können Sie ohne weitere Erhitzung essen.

Stillende Frauen, die nicht regelmäßig Fisch essen, können DHA über Nahrungsergänzungsmittel (200 mg/Tag) ) z.B. über Fischöl- oder Mikroalgen-Öl-Kapseln aufnehmen.

 

Quellen:


BfR (2004) Verwendung von Mineralstoffen in Lebensmitteln - Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte

BfR (2004) Verwendung von Vitaminen in Lebensmitteln - Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte

DGE: Referenzwerte für Fett

Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie (2016): Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen, Monatsschrift für Kinderheilkunde 2016 [Suppl 5]: 164: S433-S457

Bundesinstitut für Risikobewertung, Jodversorgung in Deutschland wieder rückläufig - Tipps für eine gute Jodversorgung, Aktualisierte Fragen und Antworten zur Jodversorgung und zur Jodmangelvorsorge des BfR vom 20. Februar 2020

DGE (2020): Kapitel 3 „Studie zur Erhebung von Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland – SuSe II“, Vorveröffentlichung zum 14. DGE-Ernährungsbericht online, Stand: September 2020

Netzwerk Gesund ins Leben (2021): Schwangere und Stillende: täglich Jod supplementieren. Auch bei ausgewogener Ernährung gilt diese Empfehlung. Stand: 10.12.2021

BfR (2023): Fischverzehr in Schwangerschaft und Stillzeit: Einige Fischarten weisen hohe Methylquecksilber-Gehalte auf. Stellungnahme Nr. 047/2023 des BfR vom 11.10.2023

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