Podcast: Kann man auch Schulden erben?

Stand:
Ein Erbe tritt man nur ganz oder gar nicht an. Das gilt auch für Schulden. In dieser Folge erklären wir, wie man ein überschuldetes Erbe ausschlägt und was man dabei beachten muss.
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Darum geht es:

Erbschulden ausschlagen

Wenn man ein überschuldetes Erbe annimmt, übernimmt man dafür die Verantwortung. Es gilt also, sich gut zu überlegen, ob man ein Erbe nicht lieber ausschlägt. Dazu muss man wissen: Ein Erbe wird nur ganz oder gar nicht angenommen. Was das bedeutet und wie das geht beantworten wir im Podcast.

 

Diesmal zu Gast:

Christoph Zerhusen (Verbraucherzentrale NRW)

Christoph Zerhusen ist Syndikusrechtsanwalt in der Gruppe Kredit und Entschuldung bei der Verbraucherzentrale NRW und beantwortet in dieser Folge alle Fragen zum Thema.

 

Transkript

 

 

Ganze Folge zum Nachlesen

Hier klicken, um das Transkript zu öffnen...

Dorian Lötzer: Ein Thema, mit dem vielen von uns sich vielleicht erst befassen, wenn wir wirklich müssen, ist das Erbe. Wusstet ihr zum Beispiel, dass man nicht nur Geld, sondern auch Schulden erbt? Und dass man nur 6 Wochen Zeit hat, da zu widersprechen?

Um diese und weitere Fragen zum Erbe geht es in der heutigen Folge.

Mein Name ist Dorian Lötzer. Willkommen bei Genau Genommen

Wenn man an Erben denkt, denkt man oft an Menschen, dessen Eltern gerade verstorben sind. Dabei erbt man nicht nur von Eltern, sondern über viele Wege. Grundsätzlich gibt es Erben in 3 verschiedenen Ordnungen.

Erben erster Ordnung sind die direkten Verwandten – zum Beispiel Kinder oder Ehepartner – des Verstorbenen.

Erben zweiter Ordnung sind die sogenannten Vorfahren des Erblassers. Das heißt, wenn man keine Kinder hat und nicht verheiratet ist, geht das Erbe an die Eltern des Verstorbenen und deren Kinder.

In seltenen Fällen hat ein Erblasser keine lebenden Kinder, Ehepartner, Geschwister, Nichten und Neffen oder Eltern – also quasi keine Erben erster oder zweiter Ordnung. Dann geht das Erbe an Erben dritter Ordnung – also an Großeltern und deren Nachkommen.

Diese Szenarien können sehr kompliziert werden. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, welche Anteile an wen vererbt werden. Und man kann auch noch über andere Wege Erbe werden, zum Beispiel wenn man in einem Testament benannt ist. Das alles erzähle ich euch nicht, um euch zu Erbrechtsexpert:innen zu machen, sondern um zu verdeutlichen, dass das Thema Erbe schneller auf einen zukommen kann, als man vielleicht vermutet.

Und um zu verstehen, was danach passiert, habe ich bei meinem Kollegen Christoph Zerhusen in NRW angerufen und mal nachgefragt, wie man überhaupt rausfindet, dass man Erbe ist.

Christoph Zerhusen: Normalerweise erhält der Erbe in der gesetzlichen Erbfolge keine amtliche oder gerichtliche Benachrichtigung darüber, dass er Erbe geworden ist. Also nur wenn es letztwillige Verfügungen gibt - sprich also Testamente oder Erbverträge. Oder aber wenn ein Erbe in einer Erbfolge nachrückt, dann kann eine Benachrichtigung erfolgen. Normalerweise wird man Erbe, wenn man entweder nach Kenntnis des Erbfalls nicht fristgemäß ausschlägt oder wenn man das Erbe annimmt. Und das kann zum Beispiel auch erfolgen, indem man Teile aus der Erbmasse zu sich nimmt.

Dorian Lötzer: Das mit dem Teil der Erbmasse ist wichtig. Das liegt nämlich daran, dass man sich nicht selbst aussuchen kann, welche Teile eines Erbes man annimmt und welche nicht. Und damit sind nicht nur alle möglichen Gegenstände oder ein Grundstück gemeint, sondern auch die Finanzen des Verstorbenen – also das Vermögen. Und dazu gehören auch Schulden.

Christoph Zerhusen: Beim Erbe ist es wichtig zu wissen: Es gibt keinen Teilweiseerbe. Also Erbe funktioniert nach dem „ganz oder gar nicht“-Prinzip und die Ausschlagung auch. Das heißt, wenn ich auf irgendeine Art das Erbe annehme, dann trete ich vollumfassend in die Rechtsfolge des Erblassers ein. Sprich also ich Erbe dessen gesamtes Habe aber ich Erbe auch die Schulden. Ich kann nicht mein Erbe beschränken und sagen, „diese und diese Teile möchte ich erben und diese und diese Teile nicht“ ein Erbe kann mir nur ganz oder gar nicht zufallen.

Dorian Lötzer: Und wenn man nur alles oder nichts erben kann und Schulden dazuzählen, dann wird die Erbfrage doch eine dringendere. Man muss sich also selbst überlegen und entscheiden, ob man das Erbe annehmen möchte oder nicht.

Christoph Zerhusen: Wenn ich das Erbe ausschlagen möchte, gelten hierfür Fristen und zwar üblicherweise muss ich die Ausschlagung innerhalb von 6 Wochen erfolgen ab dem Zeitpunkt, an dem ich Kenntnis von meinem Erbe erlangt habe. Und das ist natürlich in der Regel der Fall, wenn der Erblasser verstorben ist und der aber dies erfährt.

Dorian Lötzer: Innerhalb von 6 Wochen, nachdem man herausgefunden hat, dass man Erbt, muss man dieses also spätestens ausgeschlagen haben. Doch was heißt das in der Praxis?

Christoph Zerhusen: Also, wenn ich weiß, dass das Erbe überschuldet ist, dann lohnt es sich relativ zeitnah einen Termin beim Nachlassgericht zu machen oder wie gesagt beim Notar. Das zieht auch keine so hohen Kosten nach sich, weil die Ausschlagung des überschuldeten Erbes ist in der Regel nicht besonders hohe Gebühren nach sich zieht. Hier gehe ich dich dann einfach hin und erkläre, dass ich das Erbe nicht antreten will, also das Erbe ausschlagen möchte. Wichtig ist, wenn ich Kinder habe, dass ich dann auch für meine Kinder, also für meine minderjährigen Kinder noch mitausschlage, damit die dann nicht in der Erbfolge nachrücken und dann die Schulden erben.

Dorian Lötzer: Der Prozess kostet dann auch eine kleine Gebühr, ist aber im Endeffekt deutlich billiger, als ein überschuldetes Erbe anzunehmen.

Wie vorhin angedeutet gibt es aber ein paar Aspekte, die man unbedingt im Kopf behalten sollte. Wenn davon die Rede ist, dass man ganz oder gar nicht erbt, ist damit auch wirklich ganz oder gar nicht gemeint.

Christoph Zerhusen: Es gibt noch ein Problem, wenn mir zum Beispiel persönliche Gegenstände des Erblassers besonders wichtig sind und ich habe jetzt den Schlüssel zur Wohnung, dann sollte ich nicht Teile aus dem Erbe annehmen und zu mir in den Haushalt transportieren, weil ich dann das Erbe insgesamt annehme.

Also sagen wir mal, mit meinem Vater wäre total überschuldet, ich möchte aber die Fotoalben und die persönlichen Sachen haben ich geh in die Wohnung und nehme die raus, dann nehme ich das Erbe an.

In solchen Fällen sollte man solche Gegenstände vielleicht in einen Karton packen und zur Seite stellen, aber nicht in seinen Haushalt integrieren.

Dorian Lötzer: Wenn man das Erbe ausschlagen möchte, dann ist es wichtig, für mögliche minderjährige Kinder auch direkt mit auszuschlagen. Wenn ich das nicht tue, wird das Erbe nämlich einfach weitergegeben.

Und ich kann nur betonen, wie sehr man darauf achten sollte, wirklich nichts aus dem Haushalt zu nehmen und in den Eigenen zu integrieren. Das heißt, Karton mit Sachen in der Garage ist okay – dann sind die Sachen ja gesondert gelagert. Aber keine Teller in die eigene Küche stellen, Fotoalben aufstellen oder Bücher in den Schrank stellen. Klar, kann man jetzt sagen, „einfach die Sachen stehen lassen, wenn ich das Erbe nicht annehmen will.“ Aber ein praktisches Beispiel zeigt, dass es in der Realität oft Druck gibt, was mit dem Erbe zu machen.

Christoph Zerhusen: Also ich glaube, der klassische Fall ist: Ein Verwandter stirbt im Pflegeheim. Das Pflegeheim macht Druck und möchte, dass ich die Sachen abhole und in dem Moment in dem ich die Sachen abhole und bei mir zu Hause unterbringe, nehme ich das Erbe an. Wie gesagt, wenn ich das gesondert tue, ja also quasi die Gegenstände in Kartons tue und bei mir in die Garage stellen - das von meinem sonstigen Hausrat separiere, dann nehme ich das nicht an, sondern bringe das nur unter.

Dorian Lötzer: Also die Sachen unterbringen an sich ist ok, man darf halt nur nicht tatsächlich jetzt das Fotoalbum in den Schrank stellen?

Christoph Zerhusen: Genau in den Schrank stellen die ganzen Sachen bei mir das Geschirr bei mir in der Küche benutzen und so weiter und so weiter. Also in die Richtung. Dann kann ich sagen „ja alles klar, ich habe die Sachen rausgenommen damit die Zimmer in Pflegeheimen wieder zur Verfügung stehen. Aber ich habe das Erbe nicht angenommen, weil ich habe es separiert und getrennt von meinem sonstigen Vermögen immer bei mir in die Garage gestellt.“

Dorian Lötzer: Die Ausschlagung ist zwar die einfachste Methode, ein überschuldetes Erbe nicht selbst anzunehmen, sie ist aber nicht die Einzige. Wenn man zum Beispiel die 6-wöchige Frist verpasst hat oder aus Versehen doch etwas vom Erbe genommen hat, dann gibt es noch das sogenannte „Nachlassinsolvenzverfahren“.

Christoph Zerhusen: Problematisch ist, wenn ich aus irgendwelchen Gründen das Erbe angenommen habe, etwa indem ich zum Beispiel Gegenstände aus dem Erbe an mich genommen habe oder die Ausschlagungsfrist versäumt habe. In diesen Fällen bin ich grundsätzlich erst einmal Erbe geworden. Es gibt aber auch in diesen Fällen noch die Möglichkeit, dann ein sogenanntes Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen. Sprich: ich kann Insolvenz beantragen, dass ich nur mit einem Teil des meines Vermögens, nämlich nur mit diesem überschuldeten Erbe, ein gesondertes spezielles Insolvenzverfahren durchlaufe. Der Vorteil ist dann, dass dieser überschuldete Teil, dieses überschuldete Erbe von meinem sonstigen Vermögen abgekoppelt wird und nicht mit meinem sonstigen Vermögen für das überschuldete Erbe haften muss. Üblicherweise gibt es hier eine Frist von 2 Jahren.

Insgesamt ist die Ausschlagung das einfachere Verfahren. Das Nachlassinsolvenzverfahren hat aber auch Vorteile, wenn sich nämlich in dem Verfahren herausstellt, dass das Erbe doch werthaltig geworden ist und quasi noch einen Überschuss bleibt - nach Begleichung der der Gerichtskosten oder Verfahrenskosten - dann fällt mir dieser Wert sogar noch zu.

 

Dorian Lötzer: Der Nachteil ist natürlich, dass das Verfahren mit deutlich mehr Aufwand und Kosten verbunden ist, als das Erbe einfach auszuschlagen.

Die dritte Möglichkeit, neben Ausschlagung und Nachlassinsolvenzverfahren, ist der Nachlassverwalter.

Chirstoph Zerhusen: Nachlassverwalter werden üblicherweise eingesetzt, wenn gar nicht klar ist, was alles zum Erbe gehört und hier Klärungsbedarf entsteht oder aber wenn zum Beispiel nicht klar ist, wer überhaupt Erbe geworden ist. Und die Kosten für einen Nachlassverwalter werden üblicherweise auch aus dem Nachlass zunächst beglichen.

Dorian: Vorteil hier ist, dass es jemanden gibt, der sich um das Erbe kümmert und die Fragen klären kann. Aber auch hier gilt: Der Prozess ist deutlich komplizierter und im Endeffekt auch teurer.

Eine Frage, die für mich noch im Raum steht ist: Wo landet denn das Erbe, wenn es keiner haben will?

Klar, wenn ich das Erbe ausschlage, geht es an die nächste Person in der Erbfolge weiter. Aber wenn alle Erben ausschlagen, dann geht das Erbe an den Staat. Der ist dann am Wert vom restlichen Eigentum interessiert. Und daraus ergibt sich eine Möglichkeit für diejenigen, die zwar das Erbe ausschlagen wollen, aber dennoch sentimentale Gegenstände behalten möchten.

Christoph Zerhusen: Also in der Praxis stellt sich häufig das Problem, dass Erben eines überschuldeten Erblassers natürlich gar kein Interesse an der gesamten Erbschaft haben. Viele wollen aber einzelne persönliche Gegenstände des verstorbenen Verwandten bekommen. Das sind oft Erinnerungsstücke oder persönliche Andenken, Fotoalben und solche Gegenstände. Das Problem ist, wenn ich solche Gegenstände aus dem Nachlass herausnehme, nehme ich das Erbe als Ganzes an, also auch die Schulden. Das heißt, ich muss in solchen Fällen warten, bis das Erbe quasi die ganze Erbfolge durchlaufen hat, die möglichen Erben ausgeschlagen haben und das Erbe dann dem Fiskus zufällt. Dann kann ich Bemühungen anstreben, diese Gegenstände über die zuständige Bezirksregierung vielleicht dann doch noch zu bekommen, weil die ja in der Regel wertlos sein werden und nicht veräußerlich sind.

Dorian Lötzer: Bis das passiert kann natürlich einiges an Zeit ins Land streichen, aber nichtsdestotrotz muss man sich vielleicht nicht von manchen Andenken trennen, wenn man ein Erbe ausschlägt.

Erben ist, wie ihr vielleicht merkt, ein hochkomplexes Thema für sich. Nicht um sonst gibt es Jurist:innen, die sich hauptsächlich nur damit beschäftigen. Aber ein paar grundsätzliche Informationen können wir trotzdem festhalten:

  • Ein Erbe erhält man entweder ganz oder gar nicht. Dazu gehören auch Schulden
  • Wenn man diese Schulden nicht annehmen möchte, muss man innerhalb 6 Wochen dieses Erbe ausschlagen.
  • Dabei muss man darauf achten, dass man für die eigenen Kinder mit ausschlägt und dass man nichts aus dem Erbe in den eigenen Haushalt integriert. Sonst erbt man automatisch.
  • Wenn man doch das Erbe angenommen hat, es aber nicht möchte, dann ist eventuell ein Nachlassinsolvenzverfahren der richtige Weg. Wenn man gar keinen Überblick über das Erbe und die notwendigen Schritte hat, dann kann man sich an einen Nachlassverwalter wenden.

Wer letztendlich konkrete Probleme hat, die gelöst werden müssen, kann sich natürlich auch an einen Fachanwalt für Erbrecht wenden und da beraten lassen.

Wenn euch die Folge gefallen hat, abonniert doch gerne den Podcast oder empfiehlt ihn weiter. Mehr Informationen gibt es wie immer auf verbraucherzentrale.de. Kontaktieren kann man uns über podcast(at)vz-bln.de

Mein Name ist Dorian Lötzer und heute haben wir das Ausschlagen von Erbe genau genommen.

 

Fragen und Kommentare können Sie gerne an podcast@vz-bln.de schicken!

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